Die eine, universell richtige Strategie, um auf Amazon zu verkaufen, gibt es nicht. Die Wahl des richtigen Verkaufsmodells ist jedoch ein erfolgskritischer Faktor in jeder ganzheitlich geplanten Distributionsstrategie. Ralf Richter, Ex-Amazon-Manager und Geschäftsleiter bei Plan.Net Performance, beleuchtet in einem Gastbeitrag die Optionen.
Seitdem entwickelt sich das Marktplatzgeschäft von Amazon äußerst dynamisch und hat den eigenen Retail-Handel bereits im Jahr 2015 an Umsatz übertroffen. Laut einem Anfang des Jahres veröffentlichtem Brief von Jeff Bezos an seine Aktionäre, hat der Marktplatz 2018 rund 58% der gesamten Warenverkäufe auf der Plattform erzielt. Dieser Umstand war Bezos den trockenen, aber treffenden Kommentar wert: „Die Drittanbieter-Händler treten uns in den Hintern. Kräftig.“
Amazon fokussiert sich zunehmend auf das Marktplatzgeschäft
Ungewollt ist diese Entwicklung aber nicht – sie ist eher strategisches Kalkül. Nutzte Amazon in der Vergangenheit seine direkten Lieferantenbeziehungen um schnelles Wachstum und Marktmacht zu gewinnen, findet seit einiger Zeit eine spürbare Fokussierung auf das für Amazon profitablere und risikoärmere Marktplatzgeschäft statt.So hat zum einen eine Angleichung der Tools stattgefunden, mit denen Seller und Vendoren ihre Produkte darstellen und bewerben können (z.B. Sponsored Ads, A+ Content und Brand Stores). Zum anderen wurden Support und persönliche Betreuung von Vendoren beispielsweise durch Vendor- und InStock-Manager deutlich zurückgeschraubt.
Nicht zuletzt sorgte Anfang des Jahres eine Meldung für Aufsehen, nach der Amazon unangekündigt und ohne weitere Begründung Bestellungen bei mehreren Tausend, überwiegend kleineren Vendoren, gestoppt habe, um diese in das Seller-Programm zu drängen. Dies wäre eine sehr aggressive Methode zur Verlagerung des Retail- zugunsten des Marktplatzgeschäftes.
Die Modelle unterscheiden sich weiterhin fundamental
Trotz Angleichungen in einigen Bereichen, unterscheiden sich beide Modelle aber nach wie vor fundamental voneinander. Fällt die Entscheidung für das Vendor-Modell, bedarf es zunächst einer entsprechenden Einladung von Amazon.Ist diese Hürde genommen, sind ausschlaggebende Faktoren einerseits vertriebspolitische Gründe, zum Beispiel, wenn eine Konkurrenzsituation mit anderen Händlern, die im Zweifel ebenfalls Kunden sind, vermieden werden soll.
Seller hingegen schätzen die größere Flexibilität hinsichtlich der Preisgestaltung und Lagerbestandsplanung sowie die deutlich umfangreicheren, kostenlos zur Verfügung gestellten Daten und Insights in Bezug auf Bestellungen, Keywords und Warenkorbstatistiken. Als nachteilig werden hingegen vor allem der höhere Aufwand bei Fulfillment oder Kundensupport wahrgenommen.
Ein hybrider Ansatz könnte ebenfalls eine gute Lösung sein
Wer über genügend Ressourcen, Know-how und die entsprechende technologische Infrastruktur verfügt um beide Modelle umzusetzen, für den könnte ein hybrider Ansatz eine weitere Option darstellen. Dieser vereint die Vorteile von Vendor- bzw. Seller-Dasein und erfreut sich daher zunehmender Beliebtheit.Die höhere Flexibilität bei der Festlegung der Verkaufspreise, die Sicherstellung der Verfügbarkeit auch unrentabler „CRaP-Produkte“ (Can´t Realize any Profit) sowie der Zugang zu spezifischen Analysedaten in Seller Central, können für (Teil-) Segmente eines Herstellers oder Händlers ausschlaggebende Argumente für die Wahl eines Hybrid-Modells sein.
Richtig gemanaged, kann dieses Modell die erhöhten Aufwände und eventuell auftretende Kannibalisierungseffekte beider Kanäle mehr als aufwiegen.